Wilhelmsdorf sz
Zum 55. Todesjahr von Karl Fuß, der sich als Autor Wendelin Überzwerch nannte
und seit 1945 in Wilhelmsdorf lebte und arbeitete, brachte die Scheune einen literarischen Abend
unter dem Titel „Geschüttelt und gerührt“ auf die Bühne.
Sie gedachte damit eines lokal durchaus bekannten Humoristen und Poeten,
der einem Teil des älteren Publikums durch seine Mundartgedichte noch in lebendiger Erinnerung ist.
Wer war Wendelin Überzwerch? Karl Fuß, 1893 in Memmingen geboren, ging in Schöntal und Urach auf die Seminarschulen; nach dem Abitur studierte er Theologie in Tübingen, bis er 1914 im Ersten Weltkrieg einberufen wurde. Als Kriegsgefangener überlebt er fünf Jahre in Sibirien, 1920 kehrt er zurück, studiert Germanistik und Geschichte und promoviert nach vier Semestern mit einer Arbeit über Puschkin. Bei Krupp in Essen wird er Bibliothekar und leitet die Betriebszeitung während der Nazizeit. Sein frühes Werk – seit 1923 schrieb er Gedichte, Hörspiele, Kurzgeschichten und Novellen – verbrennt bei den Bombenangriffen 1945. In Wilhelmsdorf, dem Geburtsort seiner Frau, findet er nach dem Krieg Ruhe und Muße für sein unermüdliches Schreiben – Landschafts- und Städtebeschreibungen, Erzählungen, Gedichte in Hochdeutsch und auf Schwäbisch und Schüttelreime. Wenn man es so sehen möchte, war es wohl eine Art Evasion aus dem Horror der Zerstörung in eine quasi noch heile Welt, deren Natur der Autor als Seelenrettung empfinden musste. Wenn man das Leben von Karl Fuß betrachtet, hört man aus so manchem Text die Dankbarkeit für diese Zuflucht heraus. Vielleicht hätten die älteren Besucher in der Scheune gern ein bisschen noch mehr Mundartgedichte gehört, denn als solcher ist Wendelin Überzwerch – der Name ist Programm für den Querdenker – ihnen noch in Erinnerung. Allerdings: Häufig wirkt die schwäbische Mundart wirkt eher wie eine Reverenz an seine neue Heimat.
Es ist immer schwierig, Gereimtes und Ungereimtes, Ernsthaftes und Humoristisches, Erzählungen und Aphorismen in einer Art Werksüberblick zusammen zu führen. Aber dem Team der Scheune gelang das recht gut, zumal der Abend durch Musik von Eva Strehl, die auch einen Band mit Gedichten und eine CD mit Vertonungen herausgegeben hat, in Arrangements von Lothar Rilling-Riehmann und von ihm auch gesungen, aufgelockert wurde.
Köstlich immer wieder zwischendurch die Schüttelreime, die vom heiteren Ton und der Skurrilität ihrer Sujets her an die 20er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts und die Comedian Harmonists erinnerten: „Des Lebens Auftakt ist oft der Taufakt“, „Ich will mein Herz an Lotte ketten, sie brät die schönsten Koteletten“ oder „Liebt denn niemand Wanda mehr? Grad' als ob kein Mann da wär".
Zwischen Busch und Roth
Zwischen Wilhelm Busch, Eugen Roth und Heinz Erhardt mäandern die Gedichte, mal heiter, mal bewölkt, mal moralinsauer oder mit netter Pointe wie zum Beispiel im Streit von Emmentaler und Backsteinkäs, der mit dem Spruch „ich aber kann mich fortbewegen“ triumphiert.
Mit poetischem Impetus sind die vier Riedspaziergänge geschrieben, aus denen der naturkundige Beobachter wie auch der gebildete Philologe und Historiker spricht und – auch wenn sie manchmal etwas ins Betuliche abzudriften droht – ebenso die tiefe Liebe zu einer späten Seelenheimat.hier abgeschrieben
Uff guat schwäbisch