In Südtirol erfreuen sich dem Genuss frönende Menschen zur Herbstzeit
an einer ganz besonderen Tradition: am sogenannten Törggelen.
Sobald die letzten Trauben geerntet und die ersten jungen Rebensäfte aus dem Torculus – wie die Lateiner die Weinpresse bezeichneten und aus dem Südtiroler
umgangssprachlich die Torggl ableiteten – getropft und abgefüllt sind,
bieten die bäuerlichen Betriebe ihre frischen Produkte ab Hof zur Probe an.
Was ursprünglich als Erntedankmahl für das Gesinde zelebriert wurde,
stellt mittlerweile seit Jahrhunderten auch für Winzer und Städter die beste Möglichkeit dar,
die Qualität des noch jungen Weines und des Sausers zu verkosten.
So ist das Törggelen im Meraner Land zu einer kulinarischen Tradition
für jedermann geworden. Sobald die Landwirte in den Herbstmonaten
September bis November ihre Hof- und Buschenschänken hergerichtet
und mit einem Buschenschankzeichen in Form eines Zweigbüschels «ausg'steckt» haben,
nimmt die beliebte Zeit ihren Lauf. Ob Einheimische oder Gäste, beim unkomplizierten Törggelen kommt sich Jung und Alt näher.

Authentisches Brauchtum

Das Verzeichnis bäuerlicher Schankbetriebe in Südtirol (www.roterhahn.it) führt über vierzig Höfe mit dem authentischen Brauchtum des Törggelens auf. Dazu zählen beispielsweise der Rauthof in Meran mit herrlichem Rundblick über den Meraner Talkessel, der Nalserbacherkeller in Nals oder der Schnalshuberhof in Algund, auf dem die Familie von Landwirt Christian Pinggera in ihrer denkmalgeschützten Stube des Biobauernhofes Hausgemachtes anbietet. Das traditionelle Prozedere erklärt der Hausherr wie folgt: «Beim Törggelen beginnt man klassisch mit Gerstensuppe; auch Schlutzkrapfen, Käse- und Rohnenknödel aus Roter Beete sind eine beliebte Vorspeise. Danach darf natürlich die Schlachtplatte mit Sauerkraut, manchmal auch mit original Rübenkraut und natürlich mit Speckknödeln als Beilage nicht fehlen. Zur Nachspeise gibt es dann Bauernkrapfen mit Marmelade-, Kastanien- oder Mohnfüllung. Apropos Kastanien: Sie gehören gebraten zum Törggelen dazu wie das Amen zum Gebet.» Dazu gibt es auf dem Schnalshuberhof selbstverständlich hausgemachte Weine wie den Fraueler oder den Vernatsch zum Verkosten.

«Beim Besuch der Buschenschänken entstehen generationenübergreifende Kontakte.»

Entdeckungen sind beim Törggelen in den kleinen Landwirtschaftsbetrieben also garantiert. Und klar, dass man in deren Hofläden auch das eine oder andere für die Daheimgebliebenen erstehen kann. Zum Abschluss gibt uns Christian Pinggera noch zwei Geheimtipps mit auf den Weg: Als Gast solle man sich frühzeitig um einen Platz in der Buschenschänke seiner Wahl bemühen, weil es in den guten und meist kleinen Landwirtschaftsbetrieben rasch keine freien Plätze mehr gebe. Und mit einem Augenzwinkern schiebt Pinggera nach: «Fürs Törggelen sollte man nicht unbedingt Vegetarier oder Veganer sein, sonst wird es schwierig.»
Genuss für Leib und Seele

Zur Meraner Törggele-Saison zeigt ein Blick in den Veranstaltungskalender, dass die Breite der touristischen Angebote enorm ist – von den Ultner Lammwochen über den Schenner Bauernherbst bis hin zum Meraner Traubenfest und zu den Kastanientagen «Keschtnriggl». Im Mittelpunkt all dieser Festivitäten stehen stets die lukullischen Genüsse rund um die Wein- und Obsternte. Aber auch die Folklore und Tradition kommen hier nicht zu kurz. Zu empfehlen ist beispielsweise das Südtiroler Erlebnispaket «Gärten & Wein», mit dem man gleichzeitig in den Genuss von zwei einzigartigen Südtirol-Attraktionen kommt: Die herbstlichen Gärten von Schloss Trauttmansdorff bilden den kulturellen Rahmen für die geführte Besichtigung mit Schwerpunkt Wein. So lernt man im Weinberg die alteingesessenen Südtiroler Traubensorten kennen. Am Nachmittag bringt einen dann der Shuttlebus zum Schloss Katzenzungen. Hier wächst die Versoaln-Rebe, die grösste und wohl älteste Rebe der Welt. Sie gilt als einzigartige Zeitzeugin. Auf gemütlich-gesellige Weise rundet eine abschliessende Weinverkostung der Südtiroler Leitsorten den erlebnisreichen Herbsttag ab.

Ob geführte Tour oder individuelle Entdeckungsreise: Während der goldenen Herbstzeit bietet das ganze Meraner Land neben seiner Törggele-Tradition immer auch den idealen Rahmen für genussreiche und vor allem für Leib und Seele erholsame Tage. Als Feriengast hat man zu dieser Jahreszeit wortwörtlich die lustvolle Qual der Wahl.